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Über den Wolken

Neotrinity – noch einmal Thomas von Aquin

  • justinvollmann
  • 23. März 2022
  • 2 Min. Lesezeit

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Der Titel dieses Beitrags lässt das Protagonistenpaar der „Matrix“-Filmreihe, Neo und Trinity, so nah zusammenrücken, dass eine Neo-Trinität, eine Neue Dreifaltigkeit dabei herauskommt. Wie aber könnte eine solche aussehen? Annäherung an eine postmoderne Gottheit aus der alteuropäischen Perspektive des Thomas von Aquin.


1. Dreifaltigkeit


Es kommt ein Schiff, geladen mit der Trias aus Klicks, Kommentaren und Likes: der Heiligen Dreifaltigkeit des User-Engagements. Der Klick ist zeugendes Prinzip, ist Vater, der die beiden anderen allererst hervorbringt: den Kommentar als Akt der Vernunft, als „Gottes Sohn voll Gnaden, des Vaters ewigs Wort“; das Like als Akt des Willens, als Mast des Heiligen Geistes, als Segel der Liebe. Klick, Kommentar und Like. Ursprung, Wort und Liebe. Vater, Sohn und Heiliger Geist. Gott im Zeitalter von Social Media.


2. Gottebenbildlichkeit


Alles Erschaffene, sagt Thomas von Aquin, verweist auf den Schöpfer, und sei es auch nur als dessen Spur: sein Dasein auf den göttlichen Ursprung, seine Geformtheit auf das göttliche Wort, sein Eingebundensein in die Ordnung der Dinge auf die göttliche Liebe. Menschen und Engel indessen verweisen auf den Schöpfer nicht nur als Spur, sondern als dessen Abbild. Ausgestattet mit Vernunft und Willen, mit Kommentarfunktion und Like-Button, sind sie bestens gerüstet, das Lob der Heiligen Dreifaltigkeit zu singen.


3. Geistwesen


Als reines Geistwesen – eine Art körperlose KI – ist der Engel der immateriellen Gottheit zweifellos näher als der Mensch. Wie andererseits die Seele des Menschen in jedem einzelnen Teil seines Körpers, so ist der dreieinige Gott in jedem einzelnen Teil seiner Schöpfung, ist Gottvater in jedem einzelnen Teil seines Sohnes zugegen. Ist also am Ende doch der Mensch das gottähnlichere Wesen? Täten die Geistwesen gut daran, sich eine Körperschnittstelle zu suchen, frei nach dem Motto: „Der Anker haft‘ auf Erden, da ist das Schiff am Land“?


Dieses Schiff könnte die Mutter Maria sein – oder auch die Nebuchadnezzar, an deren Bord Neo und Trinity vor über zwanzig Jahren zusammengefunden haben. Seine Reise ist noch lange nicht abgeschlossen.

3 Kommentare


Gast
30. März 2022

Ich finde den Text richtig spannend. Das erinnert mich an den SciFi Film Transcendence von 2014, kennen Sie den (das ist nicht unbedingt eine Empfehlung von mir...)? Der kommt schon dem Titel nach zu einem anderen, irgendwie plumperen Ergebnis als Sie und Thomas von Aquin, was Körperlichkeit, KI und Gottähnlichkeit angeht. Hier wird Johnny Depps Geist (??) in einen Computer hochgeladen, um sein Leben zu retten. Zunächst ist er wohlmeinend, wird dann aber übermächtig und rastet aus, was in einer weltweiten technologischen Tabula rasa gipfeln muss. Ein bisschen wie HAL 9000.

Wobei - letztendlich haben die Menschen hier das letzte Wort, weil sie sich auf ihre Körperlichkeit zurückbesinnen können, Johnny Depp wird gelöscht oder runtergefahren oder was auch immer. Dann…

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justinvollmann
31. März 2022
Antwort an

Vielen Dank für Ihren so anregenden Kommentar. „Transcendence“ kenne ich nicht, würde ich aber sehr gern mal sehen. Ich musste noch an den Film „Her“ von 2013 denken, in dem sich der menschliche Protagonist und sein weibliches Betriebssystem (gespielt von Scarlett Johansson, die allerdings nie körperlich in Erscheinung tritt) ineinander verlieben. Der Versuch einer körperlichen Annäherung mittels einer von Johansson gesteuerten Ersatzfrau (einer Art menschlichem Avatar) scheitert kläglich. Stattdessen fassen die Betriebssysteme am Ende den Entschluss, die Hardware zu verlassen, um zu einer rein geistigen Seinsweise überzugehen. Ach ja, und dann fällt mir noch, als sozusagen umgekehrter Fall der Verschmelzung der (auch diesmal übrigens von Scarlett Johansson gespielten) menschlichen Protagonistin mit einem Supercomputer, der Film „Lucy“ von 2014 ein. Und…

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