Der Pfaffe Amis und die Blues Brothers
- justinvollmann
- 19. Mai 2022
- 3 Min. Lesezeit

„Ir mugt wol immer wesen vrô, / daz mich got hât her gesant“, sagt der Pfaffe Amis im Rahmen seiner Kirchweihpredigt. „Sô hât iuch got gesendet her“, meint auch der Herzog, dessen Kranke der Pfaffe zu heilen verspricht. Und der von seinem unerwarteten Fischfang überraschte Bauer zeigt sich überzeugt, dass „ditz waer ein rehter gotes bote / und waer ein heileger man“.
„We’re on a mission from God“, sagen auch die Blues Brothers, wann immer sie eines der ehemaligen Bandmitglied für ihr Revival gewinnen wollen. Du willst deiner jetzigen Band treu bleiben? Du willst deinen guten Job nicht aufgeben? Deine Frau hat etwas dagegen? Auf all diese Einwände gibt es nur eine Antwort: „We’re on a mission from God“, und deshalb hast du keine Wahl!
Du denkst, die Sache wird nicht gutgehen, weil wir die Polizei, eine Country-und-Western-Band sowie einen Haufen Nazis gegen uns aufgebracht haben und außerdem von einer resoluten Frau mit supertödlichen Hightech-Waffen verfolgt werden? Kein Problem, „we’re on a mission from God“ – und tatsächlich überleben die beiden Brüder jedes Attentat wie durch ein Wunder.
Das Argument zieht, die Band hat ihren großen Auftritt und die Brüder kommen an das nötige Geld, um das Überleben jenes katholischen Waisenhauses zu sichern, in dem sie groß geworden sind und das der Bischof kurzerhand hat fallenlassen. Das Geld zu stehlen, hatte ihnen die strenge Oberin nachdrücklich untersagt, doch dann hatte Jake die göttliche Eingebung mit der Band gehabt.
Einen nicht ganz unähnlichen Rahmen haben wir im Pfaffen Amis: ein geldgieriger Bischof, der dem Pfaffen die Kirche wegnehmen will, und ein Held, der mit dem Argument, im Auftrag des Herrn unterwegs zu sein, an sehr viel Geld gelangt, das er einerseits den Gästen daheim, andererseits dann aber auch dem Kloster zugutekommen lässt, in das er selbst im reifen Alter eintritt.
Ich nehme den Vergleich zum Anlass, um auf einen besonderen Typus des Trickstertums hinzuweisen, dessen sich schon Jesus Christus bedient hat. Im Anschluss an das Lukas-Evangelium könnte man ihn als „Menschenfischerei“ bezeichnen, und er besteht darin, die „mission from God“ besonders wirkungsvoll in Szene zu setzen, um damit Menschen für bestimmte Zwecke zu ködern.
Jesus will zwar keine Band, wohl aber eine Jüngerschar zusammenstellen, und so befiehlt er dem Fischer Simon Petrus unter objektiv ungünstigen Bedingungen, seine Netze auszuwerfen. Als diese dennoch zum Bersten voll sind, glaubt Petrus an ein göttliches Wunder, und Jesus hat leichtes Spiel, ihn und die Seinen zur Trennung von ihren Familien und Berufen zu bewegen – gemäß dem Motto: „We’re on a mission from God“.
Interessanterweise gibt Jesus Petrus zu verstehen, er solle von nun an nicht mehr Fischer, sondern Menschenfischer sein, sprich: weitere Mitglieder werben (in der Tat wird Petrus dann ja später auch der erste Papst sein). Damit wird nun aber indirekt auch der von Jesus inszenierte Fischzug selbst als Akt der Menschenfischerei und Jesus als der größte aller Menschenfischer hingestellt.
Der Pfaffe Amis will weder eine Band noch eine Jüngerschar zusammenstellen. Aber er braucht Geld. Und so befiehlt er einem Bauern, mittels eines Keschers in seinem eigenen Brunnen auf Fischfang zu gehen. Anders als Jesus, dessen göttlicher Draht hier direkter gewesen sein mag, hat der Pfaffe aber vorgesorgt und den Brunnen des Bauern zuvor mit großen Fischen bestückt.
Angesichts des prall gefüllten Keschers sind nun der Bauer und die Seinen genügend von der Heiligkeit des Pfaffen überzeugt, um diesem eine hohe Ablass-Summe für die Vergebung all ihrer Sünden zu bezahlen. Und noch durch eine Reihe weiterer „Wundertaten“ erreicht es der Menschenfischer Amis, dass sich ihm nicht nur die Herzen, sondern auch die Geldbeutel der Gläubigen öffnen.
Den 1980 herausgekommenen Film The Blues Brothers hat das Vatikanblatt L'Osservatore Romano 2010 zum „katholischen Klassiker“ gekürt. Selbst bei vergleichbarem Kultstatus wäre dem Pfaffen Amis eine solche Ehre wohl kaum zuteilgeworden. Zu beißend die Kritik, die der mittelalterliche Text wenn nicht am Glauben selbst, so doch zumindest an den institutionalisierten Formen der Menschenfischerei übt.


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