Blade Runner und Thomas von Aquin
- justinvollmann
- 14. März 2022
- 2 Min. Lesezeit

Mit diesem Eintrag möchte ich zwei Anregungen zusammenführen, die bei unserer Diskussion des Films „Blade Runner“ von Ridley Scott unverbunden nebeneinander stehengeblieben sind. Das eine war mein Vorschlag, „Blade Runner“ durch die Brille der antik-mittelalterlichen Lehre von den drei Seelenteilen zu betrachten. Das andere war der Hinweis, dass der Name des Protagonisten Deckard ganz sicher an den Philosophen Descartes erinnern soll, dessen Satz „Cogito ergo sum“ („Ich denke, also bin ich“) ja auch zitiert wird.
Wir hatten bereits vermutet, dass die Bezugnahme auf den Cartesianischen Leib-Seele-Dualismus eher kritisch gemeint ist, zumal es weit weniger der Bereich der Kognition als derjenige der Emotionen ist, der in „Blade Runner“ über Sein und Nichtsein der Figuren entscheidet (vgl. den Voight-Kampff-Test). Ohne direkte Abhängigkeiten behaupten zu wollen, möchte ich hier die Frage in den Raum stellen, ob „Blade Runner“ nicht mit der Lehre von den drei Seelenteilen weitaus kompatibler ist als mit Descartes.
Laut Thomas von Aquin, auf dessen „Summa Theologiae“ ich mich hier durchweg beziehe, setzt sich die Seele des Menschen aus drei Teilen zusammen. Den vegetativen Seelenteil (Wachstum, Ernährung, Fortpflanzung) hat der Mensch mit den Pflanzen und den Tieren gemein. Den sensitiven Seelenteil (innere Sinne und Emotionen) hat er lediglich mit den Tieren gemein. Den intellektiven Seelenteil (Vernunft und Wille) hat er mit den Engeln gemein, die ihrerseits als reine Geistwesen über keinen weiteren Seelenteil verfügen.
Nur der Mensch verfügt also über alle drei Seelenteile und damit über eine spezifische Mischung aus Körper und Geist. Während nämlich der vegetative und der sensitive Seelenteil auf die Verbindung der Seele mit dem Körper angewiesen sind, kann der intellektive Seelenteil auch ohne den Körper funktionieren. Entsprechend vergeht die Seele der Pflanzen und der Tiere mit dem Körper, während die menschliche Seele auch über den Tod hinaus fortbesteht, allerdings in unvollkommener, weil um die vegetativen und die sensitiven Kräfte reduzierter Weise. Erst mit der Auferstehung des Fleisches am Ende der Zeiten wird die menschliche Seele dann wieder in ihr volles Recht gesetzt.
Wie nun die menschliche Seele eine Zwischenstellung zwischen der rein körpergebundenen Seele der Pflanzen und Tiere einerseits und der rein geistigen Seele der Engel andererseits innehat, so kommt speziell dem sensitiven Seelenteil eine Zwischenstellung zwischen dem vegetativen und dem intellektiven Seelenteil zu. Mit Ersterem verbindet ihn die Abhängigkeit vom Körper, mit Letzterem die Aufteilung in ein Erkenntnisvermögen und ein Strebevermögen. Der rein geistigen Erkenntnis steht so eine körpergebundene sinnliche Erkenntnis (einschließlich Erinnerung und Imagination), dem rein geistigen Streben (= Wille) ein körpergebundenes sinnliches Streben (= Emotionen) zur Seite.
Indem sie nun aber den Menschen als ein Mittleres zwischen Körperwesen (Pflanzen, Tieren) und Geistwesen (Engeln) konzipiert, dessen Erkenntnis- und Strebevermögen sich nicht nur dem körperunabhängigen intellektiven Seelenteil, sondern auch dem körpergebundenen sensitiven Seelenteil verdankt, setzt Thomas‘ Anthropologie gerade jene mentalen Zustände – allen voran natürlich die Emotionen – in ihr Recht, für die sich auch Ridley Scott interessiert und die geeignet sind, einem allzu strikten Leib-Seele-Dualismus à la Descartes/Deckard vorzubauen bzw. entgegenzuwirken.


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