Amis – Der Profi
- justinvollmann
- 24. Apr. 2022
- 2 Min. Lesezeit

Kennzeichnend für das Genre des Gangsterfilms ist laut Wikipedia „die Schilderung von illegalen Aktivitäten, bei der der soziale und/oder psychische Werdegang der Verbrecher […] im Mittelpunkt steht“. Unter genau diesem Gesichtspunkt lohnt sich ein Vergleich des Pfaffen Amis mit dem Gangsterfilm Léon – Der Profi, auch wenn dessen Held kein ausgesprochener Trickster ist wie etwa Danny Ocean in der Gaunerkomödie Ocean’s Eleven.
Léon ist, wie der Titel schon sagt, ein Profi. Nur um der Bezahlung willen, ohne innere Anteilnahme, tötet er seine Opfer. Und Léon ist, wie seine geliebte Topfpflanze, ein Entwurzelter: „Keine Frauen, keine Kinder“ ist für ihn nicht nur Berufs-, sondern auch Lebensmaxime.
Aber Léon war nicht immer so. Sein erster Mord war noch kein professioneller, sondern ein aus persönlicher Rache für die Ermordung seiner Freundin begangener. Erst dadurch ist Léon zum Entwurzelten geworden, und erst als Entwurzelter hat er das Morden zur Profession erhoben.
Und: Léon bleibt kein Profi. Vielmehr lässt er sich erneut zu einem Rachemord hinreißen, diesmal freilich aus rein altruistischen Motiven. Und siehe da: Léon darf neue Wurzeln schlagen – zumindest als Topfpflanze im Garten der moralisch unverdächtigen Spencer School.
Die Position der Frau nimmt im Pfaffen Amis in gewisser Weise Gott ein: Von ihm nimmt Amis seinen Ausgang und zu ihm kehrt er zurück, dazwischen aber geht er, wenn man das so sagen darf, auf professionelle Distanz. Ohne es mit den Parallelen übertreiben zu wollen, halte ich folgende Punkte fest:
Auch Amis ist ein Profi, der für Geld zwar nicht mordet, aber betrügt (und dabei durchaus auch die physische Schädigung seiner Opfer in Kauf nimmt). Auch ihn erleben wir als einen Unsteten, Fahrenden, für den die Kirche keineswegs, wie er es dem Bischof gegenüber behauptet, den Mittelpunkt der Welt darstellt.
Doch wie Léon zu seinem ersten Mord, so ist auch Amis zu seinem ersten Betrug erst durch die Machenschaften eines bösen Gegenspielers getrieben worden – nämlich des eifersüchtigen Bischofs, der ihm seine Kirche wegzunehmen droht. Und wie bei Léon bedarf es dieser Initialzündung, um den Helden überhaupt erst auf die schiefe Bahn zu bringen.
Auch Amis gibt schließlich die Profi-Laufbahn auf und endet in gewisser Weise dort, wo er begonnen hat: zwar nicht im Schoß der Kirche, wohl aber innerhalb der Mauern eines Klosters, zu dessen Abt er sogar aufsteigt. (Oder sollte man besser sagen: Der Pfaffe wird zum Superprofi, indem er sich am Ende selbst noch seinen Platz im Himmelreich ergaunert?)
Der Vergleich legt ein Muster offen, nach dem „der soziale und/oder psychische Werdegang“ (s.o.) eines Verbrechers heute beschrieben werden kann und schon im Mittelalter beschrieben werden konnte: als ein Weg, der von einer erzwungenen Professionalisierung zu einer erlösenden Deprofessionalisierung führt, dazwischen aber jede Menge Raum für eben jene Professionalität lässt, die Autoren wie der Stricker und Regisseure wie Luc Besson mit ihren kriminellen Helden teilen.


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